Paula und das Lied der Bäume
Freitag, 12. September 2014
Übers Angeln, Abwaschen und Pilze sammeln
Jetzt sind wir ja schon eine Weile hier, aber es fühlt sich viel länger an, als eine knappe Woche, bestimmt weil man so viel an einem Tag macht.
Inzwischen war ich auch schon im Wald. Er sieht anders aus als bei uns. Er ist trockener und der Boden ist sandig, so dass es viele Kiefern und Birken gibt. Die Erde ist mit trockenem Moos, hellen Flechten und Preiselbeersträuchern bedeckt. Auch die Ameisenhaufen sehen anders aus: es sind eigentlich helle Sandhaufen, auf denen nur oben ein paar Nadeln liegen. Die Ameisenstraßen sind richtig ausgetreten, so dass vielleicht zwei Millimeter breite, sandige Rinnen durch das Moos laufen. Der Wald um die Häuser der Schule ist nicht sehr dicht, es sind eher Büschel von Bäumen, deshalb sind wir um in den eben beschriebenen Wald zu kommen ein Stückchen mit dem Auto gefahren. Dort haben wir dann Pilze gesucht. Es gibt hier sehr, sehr viele Birkenpilze (es gibt ja auch viele Birken) aber auch Maronen und Steinpilze, die aber alle trockener sind als bei uns. Viele der Kinder haben sogar irgendwelche Täublinge oder sowas gesammelt, die später sauer gemacht wurden.
Wir waren auch schon Angeln (das heißt, die Jungs haben geangelt und Jojo und ich haben eher daneben gesessen) und ich habe sogar welchen gegessen obwohl ich eigentlich Vegetarierin bin, aber er war ja selbst gefangen…
Pilze sammeln und Angeln tut man aber eher nachmittags. Am Morgen (wir stehen so kurz nach um sieben auf) deckt man als erstes den Tisch. Dann schält man meistens Kartoffeln und Möhren (aus eigenem Anbau) für das Mittagessen, während auf dem großen Herd Milchsuppe (aus eigener Milch) oder Haferbrei warm gemacht wird der am Abend vorher gekocht wurde. Dann gibt’s Frühstück. Neben den warmen Sachen kann man manchmal noch Müsli essen und es steht immer Brot da, auf das man Marmelade (natürlich selbstgemacht), Käse, oder Wurst essen kann. Getrunken wird viel Tee, Rhabarbersaft und Milch.
Nach dem Frühstück wird abgewaschen und dann gibt es eine Andacht, bei der viel gesungen wird. Im Andachtsraum stehen übrigens viele Heiligenbilder, die katholisch und orthodox aussehen. In der Andacht, die ja eigentlich evangelisch ist, wird das Ave Maria (und manchmal auch der Rosenkranz) gebetet. Beim Abendmahl sind die gesungenen Fragmente irgendwie belebter als bei uns. Es gibt also (sicher auf Grund der Geschichte) einige Unterschiede in der evangelischen Religionsausübung.
Wenn Unterricht ist, geht es dann in die Klassen. Einmal sind wir in dieser Zeit mit in die erste Klasse gegangen und haben auf die Kinder (die eigentlich die ganze Zeit gespielt, in Musik Klavier gelernt und ein paar „E“s geschrieben haben) aufgepasst. An einem anderen Tag habe ich die Fenster (nicht besonders gut) geputzt und dann wieder in der Küche geholfen. Unterrichten müssen wir noch nicht, das kommt (vielleicht) nächste Woche.
Zum späten Mittagessen gibt es oft irgendwas mit Kartoffeln. Dazu kann man dann essen was man will, oft sind noch kleine Reste an Soße, oder sowas vom Vortag da. Zum Beispiel gibt es Pilze in so einer Art Rahmsoße (oder es gibt sie ohne Pilze) oder Gurken, Tomaten und Möhrensalat. Eigentlich steht auch immer Cottagecheese da, den man süß und herzhaft essen kann.
Natürlich muss auch jetzt Jemand abwaschen, was auch schon mal über eine halbe Stunde dauern kann. Danach hat man manchmal frei und hilft manchmal in der Küche, (oft müssen wieder Kartoffeln geschält werden). Wenn man frei hat kann man zum Beispiel in die Bibliothek der Schule gehen. In ihr gibt es lettische, viele russische aber auch englische und wenige deutsche Bücher. Ich habe übrigens schon den Hobbit und die ersten beiden Herr-der-Ringe-Teile (echt schöne Ausgaben), Ronja Räubertochter (und noch mehr von Astrid Lindgren) und ein paar Märchenbücher auf Lettisch gefunden.
Ein Bisschen gemalt habe ich auch schon, aber da wir noch im Gästezimmer wohnen, das keinen Schrank und keinen Tisch hat, habe ich das auf dem Nachttisch gemacht.
Nachmittags geht man dann wie gesagt zum Beispiel Angeln oder Pilze sammeln oder man macht irgendetwas anderes. Manchmal müssen wieder Kartoffeln geschält, manchmal muss irgendetwas geputzt werden. An manchen Tagen gibt es auch Vesper, zum Beispiel mit Haferbrei und Marmelade. Eigentlich bekommt man dann noch jeden Tag selbst gemachtes Eis mit Heidelbeeren oder anderen Früchten drin.
Nach dem Abendessen (oft mit Resten von Frühstück und Abendbrot) wird wieder abgewaschen. Dann gucken die Kinder manchmal noch einen Film bevor sie ziemlich spät (zwischen halb zehn und um zehn oder später) ins Bett gehen. Wenn man nicht mit guckt hat man abends eigentlich immer ein bisschen Zeit für sich. Ich schreibe dann immer Tagebuch und bin oft zu müde um etwas Anderes zu machen.
Inzwischen haben Jojo, und ich eine Mitfreiwillige, die vorrübergehend auch hier wohnt. Wir verstehen uns sehr gut und mögen alle Taizémusik. Wir drei haben mit den Kindern auch schon ein deutsches Lied eingeübt, das wir zusammen begleiten.
Und wir wissen jetzt wie stressig es ist, Gäste zu bewirten. Man schält doppelt so viele Kartoffeln (oder mehr), deckt die Tische ganz ordentlich und hat einen riesigen Berg Abwasch. Aber ehrlich gesagt macht das Abwaschen mit den Kindern wirklich Spaß, besonders wenn man dabei singt. Es wäre fast schade, wenn man irgendwann auf Spülmaschine umstellen würde. Wir hatten etwa 25 Deutsche und am nächsten Tag 50 Norweger hier. Als die Norweger da waren haben wir drei Freiwilligen eineinhalb Stunden abgewaschen.
Inzwischen habe ich mich richtig eingelebt, wie man so schön sagt. Ich finde es sehr schön hier mit den Kindern und Lehrern, die sich glaube ich alle duzen und sowieso wie in einer großen Familie leben. Es gibt keine Feindschaften, wie das bei uns oft in den Schulen ist. Es wird auch keiner gehänselt, es scheinen eher alle Kinder befreundet zu sein(auch wenn es manchmal Streit gibt). Und es ist sich keiner zu blöd, um in der Andacht mitzusingen. Im Gegenteil, alle (auch die Jugendlichen) singen und spielen mit.
Als die Norweger da waren haben wir auch schon lettische Musik gehört, denn einige Kinder hier sind die Söhne einer Opernsängerin in Riga und diese hat für die Gäste ein Konzert gegeben. Die lettische Musik hört sich meiner Meinung nach traditioneller an, als zum Beispiel klassische deutsche Musik und gefällt mir deshalb auch besser (soweit ich das jetzt schon beurteilen kann).
Bleibt nur zu sagen, dass es hier sehr schön ist und es uns gut geht. Die Leute hier sind sehr lieb zu den Kindern und uns. Die kleinen Kinder sind natürlich süß und mit den größeren kann man sich gut auf Englisch unterhalten. Die Lehrer wirken hier nicht nur wie Lehrer, sondern auch wie Eltern (wie ein Norweger treffend sagte). Die ganz kleinen Kinder gehen zu allen hin und lassen sich von jedem hochheben, weil sich alle so vertraut sind. Man hat das Gefühl in einer großen Familie zu leben, in der alle zusammen wohnen, spielen und arbeiten.

Also ihr Lieben zuhause und in der Welt,
lasst es euch gutgehen und seid behütet und so.
Eure Paula


Chili


Paprika


Kalna Skola




Angelplatz

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