Paula und das Lied der Bäume
Montag, 24. August 2015
Urlaub und Abschied
Es ist zwar schon eine Woche her, dass wir wieder zu Hause angekommen sind, aber ich habe es erst jetzt geschafft, meinen Blogeintrag fertig zu schreiben.
Die letzte Zeit in Lettland habe ich eher mit Freude auf die Familie, als mit Angst vor dem Abschied verbracht und deswegen war ich ziemlich fröhlich, als alle am 28. Juli mit unserem bemalten Wohnwagen in der Schule ankamen. Die ersten Tage zeigten wir unseren Eltern und Brüdern die nahe Umgebung (die Scheune und so weiter) und fuhren einen Tag nach Grostona. Außerdem gab es viele Johannesbeeren zu pflücken, wobei unsere Familie gleich eingeplant wurde.

Am ersten August machten wir gemeinsam einen Ausflug, wobei es mal wieder ganz schön war, mit der Familie allein etwas zu unternehmen. Wir fuhren nach Cesvaine, was im östlichen Lettland liegt, und sahen uns dort ein Schloss aus den 1890ern an, das neben einer (jetzt seht kleinen) Burgruine stand. In dem Schloss gab es viele jugendstilistische und romantische Verzierungen zu betrachten. In Sowjetzeiten war es mal eine Schule und vor einigen Jahren sind Teile des oberen Stockwerkes abgebrannt, sodass viele Balken noch immer verkohlt sind. In den teilweise verbrannten Zimmern gab es eine Textilausstellung, was an diesem Ort irgendwie etwas skurril wirkte. Auf einem Schornstein des Schlosses nisteten Störche und von einem Turm aus konnte man sie von sehr nahe betrachten.











Nachdem wir wieder einen Tag in der Schule verbracht hatten, sahen wir uns am dritten August mit einer Lehrerin, deren Kindern und zwei Leuten aus der Grostona-gemeinschaft das alte Städtchen Kuldīga an, neben dem die Venta fließt und das im Westen des Landes liegt. Über die Venta zieht sich eine berühmte alte Backsteinbrücke von der aus man nach unten auf den längsten Wasserfall Europas blicken kann.



Am Abend des gleichen Tages fuhren wir nach Jurkalna, einem kleinen Ort an der Steilküste Lettlands. Dort bauten wir unsere Zelte auf einem Waldparkplatz gleich an der Ostsee auf. Wir sahen uns den Sonnenuntergang an und gingen am nächsten Tag baden.



Dann fuhren wir nach Ventspils, einer Hafenstadt an der Westküste Lettlands, machten eine Hafenrundfahrt, spritzten uns am Brunnen nass und versuchten die Kühe (die irgendwie ein Wahrzeichen der Stadt sind) zu finden. Am Abend gingen wir am Strand entlang zu unserem Campingplatz (der ziemlich spießig und schick war).








Am fünften August ging‘s zum Kap Kolka dem nördlichsten Punkt Kurlands. Wir übernachteten dort auf einem kleinen, aber sehr schönen Campingplatz, von dem aus es nicht weit bis zum Kap war. Auf dem Weg dorthin lagen überall am Strand tote, silbern gewordene, Bäume halb im Wasser.



Ab dem Abend des sechsten Augusts waren wir in Rīga. Es gibt dort einen Stadtcampingplatz bei Ķipsala, der erstaunlich ruhig war. Am Abend gingen wir nochmal kurz in die Stadt und sahen uns den Sonnenuntergang bei der Daugava an. Am Nächsten Tag zeigten wir unserer Familie die Stadt. Später guckten unser Papa und einer meiner Brüder ein Eisenbahnmuseum in der Nähe der Nationalbibliothek an und der Rest der Familie tat das, was man shoppen nennt. Es gibt nämlich in Rīga sehr preiswerte Second-Hand-Läden.

Abends gingen wir im Rozengrals essen. Das ist ein mittelalterliches Kellerrestaurant, in das wir schon mal reingucken durften. Die Gewölbe sind fast nur von Kerzen erleuchtet. Es gibt mittelalterliche Livemusik, sehr leckeres Essen( das man nach alten Rezepten zubereitet und von dem auf der Karte steht, in welches Jahrhundert es gehört), und mittelalterlich gewandete Kellner, ich glaube die männliche Bedienung ist per Vertrag dazu verpflichtet immer eine Kapuze aufzusetzen.
Da ich mich eben dafür interessiere, fand ich die Musik natürlich ganz besonders interessant und schön, aber das Essen war echt lecker und die Stimmung sehr schön.













Am achten August sahen wir uns ein Freilichtmuseum bei Riga an. Alte Holzhäuser (aus dem siebzehnten bis zwanzigstem Jahrhundert) die aus allen Regionen Lettlands stammten, wurden dort wieder aufgebaut und in ein kleines Wäldchen gestellt, darunter Wohnhäuser, Windmühlen, Kirchen und noch viele andere. Eigentlich war das Ganze zu groß, um es an einem Tag anzusehen, aber sehr interessant.





Am Abend desselben Tages fuhren wir nach Sigulda und Sahen uns am nächsten Tag noch einmal die Kirche und die eine Ordensburg an. Dieses Mal schafften wir es aber auch noch die rote Burg Turaida anzusehen, die zu einem großen Teil wieder aufgebaut ist. Für meinen Geschmack waren dort aber irgendwie zu viele Leute und schlecht verkleidete Menschen.



Wir waren auch beim Grab der Rose von Turaida und bei der Gutmannshöhle, die die größte Höhle Lettlands ist. Die sage der Rose von Turaida ist sehr berühmt für den Ort Sigulda und geht etwa so:

Ein Mann fand nach dem Polnisch-schwedischem-Krieg einen Säugling allein vor der roten Burg liegen und nahm das Mädchen als sein eigenes Kind auf und gab ihm den Namen Maija. Als das Mädchen zur Jungfrau herangewachsen war, nannte man es, seiner Schönheit wegen, die Rose von Turaida. Maija verliebte sich in Viktors, einen Gärtnerssohn auf der roten Burg. Da er sie auch liebte, verlobten sich beide und planten eine baldige Hochzeit. Oft trafen sie sich an der Gutmannshöhle, das hörte ein polnischer Offizier, der Maija wegen ihrer großen Schönheit begehrte und lauerte ihr eines Tages an dem Treffpunkt auf. Maija sagte ihm aber, wenn er sie in Ruhe lasse, würde sie ihm ihr magisches Halstuch schenken, das seinen Träger unverwundbar mache. Sie bot dem Offizier an die Wirkung des Tuches an ihr mit dem Säbel zu erproben. Der Mann zog seinen Säbel und durchbohrte das Mädchen. Da das Ganze eine List war, starb die Rose von Turaida, hatte aber ihre Ehre gerettet. Viktors fand sie noch am gleichen Tag an der Höhle, begrub sie und pflanzte einen Lindenbaum auf das Grab, der heute noch dort steht…
Natürlich gibt es verschiedene Versionen der Geschichte, aber sie Enden meistens gleich. Heute ist die Höhle übersät mit den Insignien vieler Liebespaare.



Am zehnten August sahen wir uns eine rekonstruierte Holzfestung aus dem neunten Jahrhundert bei Āraiši an. Sie befindet sich in einem kleinen See und steht halbwegs auf Stelzen. Im gleichen Ort konnte man sich auch rekonstruierte Steinzeithütten und Bronzezeithäuschen ansehen.







Dann ging‘s nach Cēsis einer größeren Stadt im östlichen Lettland. Es gibt dort eine riesige Ordensburg aus dem dreizehnten Jahrhundert, die der Sitz des Meisters des Deutschen Ordens war. Jeder zweite von uns bekam an der Rezeption eine Laterne um in den dunklen Turm zu steigen, leider wurde aber gerade gebaut und man konnte nicht ganz hoch. Ich frage mich, warum in Deutschland immer alles elektrisch beleuchtet sein muss, immerhin macht so eine Kerze ja die Stimmung eines alten Gebäudes mit aus.
Abends waren wir dann wieder in der Kalna Skola.


In Cēsis gibt es auch eine riesige Johannes-Kirche.







Am elften fuhren wir ins Moor des Teiču-Reservates und bekamen sogar eine Führung. Elche sahen wir leider nicht und auch keine Kreuzottern, aber Sonnentau.









Am nächsten Tag ging es an den größten See Lettlands, den Lubanssee. Dort gab es eine Menge Silberreiher. Da wir am nächsten Morgen in Richtung Deutschland fahren würden machten wir noch einen musikalischen Abend und sangen mit einer der Schülerrinnen, mit der wir uns über das Jahr sehr gut angefreundet hatten, ein paar Lieder. Es war schon traurig das letzte Mal so zusammen Musik zu machen. Wir machten noch Fotos miteinander und verabschiedeten uns schon von einigen Kindern und auch Erwachsenen, die in der Nacht in die Kapelle fuhren und deshalb am nächsten Morgen nicht da sein würden

Am Morgen des vierzehnten Augustes mussten wir uns dann von den Anderen verabschieden. Wir frühstückten beteten und sangen zusammen, drückten uns und fuhren dann davon. Natürlich war das traurig, aber ich freute mich ja auch auf zu Hause, deshalb war es nicht so schwierig. Man hat uns schon mehrmals versichert, dass wir, falls wir irgendwann mal Probleme haben sollten, zurückkommen können. Es ist schön zu wissen, dass man so etwas, wie ein zweites zu Hause hat, auch wenn es glaube ich sehr anstrengend wäre, für immer dort zu leben.
Auf dem Weg hielten wir bei Bauska und sahen uns die dortige deutsche Ordensburg an, die in der Spätrenaissance umgebaut wurde und in der es eine Ausstellung mit nachgenähten Renaissancekleidern gab.





Danach waren wir noch im Rundāle-Barockschloss bei Bauska. Das war echt riesig, besonders der weiße Saal hatte ganz vielen Einzelheiten im Stuck. Es gab viele Tiere, pummelige Kinder, Pflanzen und Instrumente an den Wänden zu finden.





Wir haben dann in Polen auf einem Zeltplatz übernachtet und sind den nächsten Tag. durchgefahren, sodass wir in der Nacht zum Sonntag schon zu Hause angekommen sind. Es ist etwas seltsam, aber alles ist gerade so normal für mich. Es ist ein Bisschen so, als wäre ich nie weg gewesen.

Wie auch immer, ich freue mich wieder da zu sein, auch wenn ich anfange Lettland zu vermissen.Wir haben schon ein paar Leute wiedergetroffen, das war ganz schön, hoffentlich werden es in nächster Zeit noch mehr. Wie schon einmal geschrieben, dieser Blog wird noch weiterbestehen, vor allem Bilder wird man ansehen können. Freut mich, wenn jemand meinen Blog weiterverfolgt. Danke an alle, die ihn bis hierher verfolgt haben, danke dass Euch mein Jahr in Lettland interessiert hat.

Tschüss und an alle, die ich noch nicht getroffen habe, bis bald.
Eure Paula

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